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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: 3Z BR 29/02
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 69g Abs. 4
Die Frist, um gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts eine sofortige (weitere) Beschwerde einzulegen, beginnt auch für den Betroffenen frühestens mit der Zustellung der Entscheidung an den Betreuer zu laufen.
Der 3. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Sprau, des Richters Dr. Schreieder sowie der Richterin Vavra

am 13. Februar 2002

in der Betreuungssache

auf die weitere und sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 17. Dezember 2001 werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht bestellte am 27.3.2001 für die Betroffene einen Rechtsanwalt als Betreuer u.a. für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post. Ferner ordnete es für Willenserklärungen der Betroffenen, die den Aufgabenkreis Vermögenssorge betreffen und einen Wert von 200,00 DM übersteigen, einen Einwilligungsvorbehalt an. Die Rechtsmittel der Betroffenen hiergegen hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.12.2001 zurückgewiesen. Dieser wurde der Betroffenen selbst am 21.12.2001 zugestellt; eine förmliche Bekanntmachung an den Betreuer erfolgte nicht. Die gegen den landgerichtlichen Beschluss gerichtete weitere und sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen vom 21.12.2001 hat der Senat als unzulässig verworfen, weil die gesetzlichen Formvorschriften nicht gewahrt waren. Am 23.1.2002 hat die Betroffene zu Protokoll des Bayerischen Obersten Landesgerichts erneut "weitere Beschwerde" eingelegt.

II.

Gegen die Bestellung des Betreuers ist die einfache weitere Beschwerde statthaft, gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts die sofortige weitere Beschwerde. Die Rechtsmittel sind zulässig.

An der Zulässigkeit der erneuten weiteren Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.12.2001 ändert nichts, dass der Senat am 11.1.2002 eine weitere Beschwerde der Betroffenen gegen diesen Beschluss verworfen hat. Die Verwerfung einer weiteren Beschwerde als unzulässig mangels Form hindert nicht, sie erneut in zulässiger Form, bei sofortiger Beschwerde, innerhalb der Beschwerdefrist einzulegen (Keidel/ Kahl FGG 14. Aufl. § 29 Rn. 35).

Die Rechtsmittel sind auch fristgerecht eingelegt. Dies gilt auch für die sofortige weitere Beschwerde gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts. Die Frist von zwei Wochen zur Einlegung dieses Rechtsmittels (§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 FGG i.V.m. § 29 Abs. 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG) war zum Zeitpunkt des Eingangs der nunmehr formgerechten Beschwerde bei Gericht am 31.l.2001 noch nicht abgelaufen.

Zwar beginnt die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in welchem die Verfügung dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FGG). § 69g Abs. 4 Satz 2 FGG sieht jedoch für die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über die Anordnung oder Ablehnung eines Einwilligungsvorbehalts (§ 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 FGG) eine Abweichende Regelung vor. Danach beginnt in diesen Fällen die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung dem Betreuer bekannt gemacht worden ist. Dies gilt auch für den Beginn der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 2 FGG).

Diese Sonderregelung gilt für alle Beschwerdeführer, auch die Betroffene selbst, wie der Senat in seinem Beschluss vom 14.3.2001 (BayObLGZ 2001, 60) dargelegt hat.

Die Bekanntmachung der Entscheidung hinsichtlich des Einwilligungsvorbehalts hat durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung zu erfolgen, da mit ihr der Lauf einer Frist beginnt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG, § 187 Satz 2 ZPO).

Hier wurde dem Betreuer der Beschluss des Landgerichts formlos bekannt gemacht, weshalb die Rechtsmittelfrist für die Betroffene nicht in Lauf gesetzt worden ist (vgl. BayObLGZ 1971, 187/188).

III.

Die Rechtsmittel sind allerdings nicht begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, einem Volljährigen könne ein Betreuer von Amts wegen bestellt werden, wenn er aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen könne. Die Betreuerbestellung von Amts wegen setze voraus, dass der Betreute aufgrund seiner psychischen Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen könne.

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers lägen vor. Die Kammer stütze sich im wesentlichen auf das Gutachten vom 23.11.2001 sowie den persönlichen Eindruck von der Betroffenen im Anhörungstermin vom 15.5.2001. Nach den von den Sachverständigen in Übereinstimmung mit den Vorgutachten getroffenen Feststellungen bestehe bei der Betroffenen ein paranoid-halluzinatorisches Syndrom. Derzeit stünden im Vordergrund ausgeprägte inhaltliche Denkstörungen mit wahnhaftem Charakter, wobei Beeinträchtigungs- und Verfolgungsideen vorherrschten.

Diese Feststellungen würden durch den Akteninhalt deutlich gestützt. So erhebe die Betroffene in ihrem streckenweise durchaus vernünftig gefassten Schreiben vom 7.12.2001 immer wieder wahnhafte Vorwürfe gegen Dritte. Sie vermute den Hintergrund der Begutachtung in einer Absicht, sie materiell und personal zu schädigen. Auch bei der Anhörung durch die Kammer am 15.5.2001 habe die Betroffene darauf bestanden, dass Interpol als eine Organisation eingeschaltet werde, die sich um verbrecherische Aktivitäten kümmere, wie sie im vorliegenden Verfahren vorlägen.

Die Betreuung sei in den angeordneten Aufgabenkreisen erforderlich. Der Betroffenen fehle jede Krankheitseinsicht, so dass der Betreuer im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür sorgen müsse, dass die Gesundheitsfürsorge jedenfalls in den Grundbelangen wahrgenommen werde. Nach dem Sachverständigengutachten erscheine es möglich, die Behandlungsbereitschaft der Betroffenen und eine entsprechende kontinuierliche Behandlung der Betroffenen herbeizuführen. Die Betroffene sei wegen ihrer beeinträchtigten Fähigkeit zur Realitätswahrnehmung nicht in der Lage, die Folge ihrer finanziellen Transaktionen zu übersehen und ihrer finanziellen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen. Bei ihrem Wunsch, ein Haus zu kaufen, spiele die falsche Vorstellung eine Rolle, sie könne in absehbarer Zeit erneut als Lehrerin arbeiten, obwohl dies vom Arbeitgeber ausdrücklich abgelehnt werde.

Ebenso sei wegen der inhaltlichen Denkstörungen eine Betreuung im Bereich der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern notwendig. Insbesondere der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Betroffenen zum Jahresende endgültig auslaufe, lasse es als notwendig erscheinen, über den Betreuer sicher zu stellen, dass die für die Betroffene erreichbaren Sozialleistungen erbracht würden.

Auch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes sei erforderlich zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen der Betreuten. Wegen der nicht realitätsgerechten Entscheidungen der Betroffenen sei bei unterlassen einer entsprechenden Anordnung eine erhebliche Gefährdung des Vermögens der Betroffenen wahrscheinlich. Die Betroffene sei auch bei ausführlicher Besprechung mit der Kammer nicht in der Lage gewesen, die Risiken des Erwerbs eines Hauses richtig einzuschätzen.

Die Betreuerauswahl entspreche der Vorschrift des § 1897 Abs. 6 BGB. Eigene Vorschläge zur Person des Betreuers habe die Betroffene nicht gemacht. Angesichts der auch zu bewältigenden Rechtsprobleme sei die Bestellung eines in Betreuungssachen erfahrenen Rechtsanwalts gerechtfertigt.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. l FGG, § 546 ZPO) stand. Das Landgericht hätte jedoch auch zum Aufgabenkreis Entgegennahme, Anhalten und Öffnen der Post Darlegungen machen müssen.

a) Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLGZ 1994, 209/211; BayObLG FamRZ 2000, 189; OLG Hamm FamRZ 2000, 494/496; OLG Köln FamRZ 2000, 908), d.h. seinen Willen unbeeinflusst von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH NJW 1996, 918/919).

Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLGZ 1994, 209/212). Besteht bei fehlender Fähigkeit zur freien Willensbestimmung außerdem eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betroffenen, ordnet das Vormundschaftsgericht, soweit zur Abwendung der Gefahr erforderlich, an dass der Betroffene zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (§ 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. BayObLGZ 1993, 63).

b) Das Landgericht hat dies beachtet.

(1) Es hat auf Grund der von ihm vorgenommenen gründlichen Ermittlungen überzeugend dargelegt, dass die Voraussetzungen der Bestellung eines Betreuers für die Beschwerdeführerin vorliegen.

Die Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten durch die Kammer lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Würdigung von Sachverständigengutachten ist Sache des Tatrichters. Dieser darf allerdings das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens nicht kritiklos übernehmen, sondern ist zu einer kritischen Würdigung verpflichtet (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1403/1404). Diesen Anforderungen hat das Landgericht entsprochen. Es hat die Gutachten unter Berücksichtigung seines bei der Anhörung der Betroffenen vor der vollständigen Kammer gewonnenen persönlichen Eindrucks und deren bei den Akten befindlichen schriftlichen Äußerungen gewürdigt.

(2) Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Erforderlichkeit der Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung der Betroffenen gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern begründet.

(3) Hingegen hat das Landgericht keine Begründung zur Erforderlichkeit des Aufgabenkreises Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post gegeben.

Hierüber kann der Senat selbst entscheiden, da er die erforderlichen Feststellungen, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, aus den Akten treffen kann (BGH NJW 1997, 2815/ 2817; BayObLG NJW-RR 1998, 294/295; NJWE-RR 1999, 151/152).

Der Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post darf dem Betreuer nur eingeräumt werden, wenn dieser ihm übertragene Aufgaben ansonsten nicht in der gebotenen Weise erfüllen könnte und hierdurch wesentliche Rechtsgüter des Betreuten erheblich gefährdet oder beeinträchtigt würden (BayObLG FamRZ 2001, 871).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Betreuer muss, um seine umfangreichen Aufgaben erfüllen zu können, unmittelbaren Zugang zum Postverkehr der Betroffenen haben. Im Hinblick auf ihre Erkrankung kann nicht erwartet werden, dass die Betroffene selbst den Betreuer über ihren Postverkehr in erforderlichem Umfang informiert.

(4) Auch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser ist erforderlich, um weitere erhebliche Gefahren für das Vermögen der Betroffenen abzuwehren. Die Beschränkung auf Rechtsgeschäfte im Wert von über 200,00 DM ist zulässig (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1135).

(5) Zutreffend hat die Kammer auch dargelegt, dass die Bestellung eines Rechtsanwalts als Betreuer der Betroffenen nicht zu beanstanden ist.

Ende der Entscheidung

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